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(Deutsch) Minnie Maud Methode – der Weg aus der Magersucht?

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Nachdem ich in dem letzten Artikel Tipps für die Gewichtszunahme gegeben habe, soll es hier konkret um die umstrittene Minnie Maud Methode gehen.

MinnieMaud Methode – der Weg aus der Essstörung?

ACHTUNG! Im folgenden Artikel drücke ich lediglich meine eigene Meinung aufgrund von eigener Erfahrung aus. Ich bin gerne bereit, neue Aspekte zu lernen und freue mich auch immer über weitere Meinungen und Kritik in angemessener Form.

Ich bin keine ausgebildete Ernährungsberaterin, aber habe mich ausführlich mit diesen Themen beschäftigt. Dennoch beanspruche ich nicht die Kompetenzen eines solchen oder eines Arztes zu haben! Bitte suche im Zweifel IMMER einen ausgebildeten Spezialisten auf!

Ich freue mich über einen regen Austausch in den Kommentaren oder eine direkte Mail an mich!

richtig zunehmenAus welchen genauen Gründen auch immer, befindest Du Dich offenbar in einem für Dich zu niedrigen Gewichtsbereich. Dass das auf Dauer kein gesunder Zustand für Deinen Körper, aber auch für Deine Psyche ist, sollte dir spätestens seit dem Artikel “Folgen einer Essstörung” klar sein.

Dieser Gewichtsbereich muss nicht einmal zwangsläufig im Untergewicht liegen, denn viel relevanter für Dein optimales Gewicht ist Deine Körperzusammensetzung und hierbei ins besondere der Körperfettanteil. Das ein Arnold Schwarzenegger laut BMI im Übergewicht ist, sagt denke ich schon alles. ?

Deshalb soll Dieser Artikel allen helfen, die Zunehmen möchten/müssen/sollen weil sie eine Essstörung haben oder “Hard-Gainer” sind.

Grundlagen

Minnie Maud, das Wort ist in der “Recovery-Szene” vor allem auf Instagram und YouTube in aller Munde. Aber was verbirgt sich hinter dem Wort, welches einen im ersten Moment einfach nur an Mickey Mouse erinnert??

Was ist Minniemaud?

Minnie Maud sind Richtlinien die einem einen roten Faden geben sollen. Sie sollen einem helfen, eine Mindestmenge an Kalorien zu sich zu nehmen um schnell von einer Essstörung zu genesen:

Dabei sollen folgende Minimums beachtet werden:

Als Frau bis zu einer Größe von 173 cm sollen am Tag mindestens 2500 Kilokalorien zu sich genommen werden.
Wenn man unter 25 Jahren ist, wird das Minimum auf 3000 Kilokalorien hochgesetzt.
Wer größer als die besagten 173 cm ist, soll zusätzlich noch 200 kcal täglich essen.

Für Männer gilt bei einer Größe von bis zu 183cm ein Minimum von 3000 Kilokalorien.
Unter 25 wird auch hier das Minimum erhöht auf 3500 kcal und wer größer als 183 cm ist, sollte seine Energiezufuhr um zusätzliche 200 kcal steigern.

Desweiteren gilt: kein Sport, wenig Bewegung, jegliche Art von überflüssigem Energieverbrauch vermeiden oder die Menge erhöhen, falls ein aktiver Alltag unvermeidbar ist.

Was gegessen werden soll, ist dabei unwichtig. Im Grunde alles, worauf man Gelüste hat. Und wenn man sich nur von Schokolade ernährt ist das laut den Minni Maud Guidelines auch in Ordnung.
Du merkst vielleicht, dass an dieser Stelle meine erste leicht Wertung hineinkommt…
Aber dazu später mehr.

Worauf basiert Minnie Maud?

Diese Richtlinien basieren auf dem Minesota Starvation Experiment. Kurz zusammengefasst: In der “Studie” wurde untersucht, wie sich das Hungern auf den menschlichen Körper auswirkt.

Dazu wurde das Experiment in 3 Phasen unterteilt: Eine 3-monatige Kontroll-Periode, eine 6-monatige Hunger-Periode und die Wiederauffütterung (Rehabilitations-Phase) . 36 Männer nahmen an dem Versuch, der aus heutiger Sicht unmenschlich ist, teil.

Die Probanden wurden extrem unterkalorisch ernährt (1500kcal/Tag) und mussten dabei extreme körperliche Arbeit leisten. Einen sehr guten Artikel mit dem genaueren Setup habe ich hier gefunden: Minnesota Starvation Experiment.

Die Teilnehmer verloren natürlich extrem schnell an Gewicht und was für Minnie Maud am interessantesten ist:
Sie fingen an Symptome von Essgestörten aufzuweisen:

Symptome der Probanden:
  • Alle Probanden verloren ihre Libido und ihr Interesse darin, attraktiv auf das andere Geschlecht zu wirken oder das Bedürfnis Geschlechtsverkehr auszuüben
  • Sie litten unter Trägheit und hatten einen deutlichen Rückgang des Bewegungsdrangs (mehr dazu beim Hungerstoffwechsel), fühlten Schwäche und hatten beachtlichen Muskulaturverlust.
  • Sie fingen an von Essen zu träumen und bekamen vermehrt Alpträume.
  • Die Studienteilnehmer hatten ununterbrochen Gedanken an Essen und sammelten Bilder von Essen und Rezepten.
  • Wutausbrüche und Stimmungsschwankungen
  • Einerseits wollten die Probanden immer häufiger Schummeln, andererseits hatten sie im Anschluss starke Schuldgefühle und kamen sich wie Versager vor. Die Angst vor dem Versagen wuchs so stark, dass die meisten nicht schummelten.
  • Der Konsum von Kaffee und Kaugummi schoss rapide in die Höhe. Einer der Probanden kaute sogar bis zu 40 Packungen Kaugummi pro Tag – jeden Tag!
  • Jede Art von Nahrungsmittel wurde als attraktiv gesehen. Selbst verdorbene Lebensmittel oder solche aus dem Müll.
  • Die Probanden tranken viel mehr.
  • Sie fingen an alle Körperfunktionen genau zu beobachten und kleinste Veränderungen übertrieben wahrzunehmen.
  • Das Sitzen wurde zur Belastung infolge von mangelnder Fettpolsterung.
  • Die Körperkerntemperatur sank von 37°  auf 35,44° Celsius und die Teilnehmer begannen extrem schnell zu frieren!
  • Die Herzschlag verlangsamte sich enorm!
  • Viele hatten massive Probleme mit Wassereinlagerungen!
  • Die Teilnehmer hatten keine Konzentration mehr und konnten auch keine Anteilnahme mehr empfinden!
  • Die Toleranzschwelle für Musik und sogar das Sprachvolumen verringerte sich infolge des Hungers, der den Hörsinn signifikant schärfte.
  • Die grundlegende Fähigkeit zu Koordination verkümmerte
  • Die Teilnehmer litten an Haarausfall

Wenn Du diese Symptome mit den Folgeschäden von Essstörungen vergleichst, wird Dir unweigerlich die Ähnlichkeit auffallen. Besonders schockierend fand ich, dass sie nicht nur körperliche Schäden hatten, sondern auch ähnliche Gedanken, Gefühle und Träume wie

Essgestörte.

Die Wiederauffütterung

Nach 6 langen Monaten begann die Wiederauffütterung der Teilnehmer. Man wollte sie auf ihr ursprüngliches Gewichtslevel zurück bringen und zudem die Kalorienmenge untersuchen, die am sinnvollsten für die Zunahme war.

Dazu wurden sie in vier verschiedene Gruppen aufgeteilt die unterschiedlich viele Kalorien erhielten. Je 400, 800, 1200 oder 1600 mehr als in der Hungerphase. 400 Kalorien mehr brachten aber keine Veränderung, so dass die Menge weiter gesteigert werden musste, auch weil die Teilnehmer permanent hungrig waren.

Das wurde dabei beobachtet:
  • Die Probanden litten unter extremen Hunger, selbst nach Ende des Experiments. Auch zu Hause nahmen sie teilweise bis zu 11.000 Kalorien zu sich!
  • Die Stoffwechselrate erhöhte bzw. normalisierte sich schneller, wenn mehr Kalorien gegessen wurden.
  • Die Probanden nahmen vor allen Dingen Bauchfett zu und ihr Körperfettanteil erhöhte sich schneller als der Anteil an Muskulatur. Die Extremitäten waren oft noch sehr dünn und die Probanden beschrieben sich als “unförmig”.
    ABER(!) dieser Überschuss an Fett relativierte sich mit dem Laufe der Zeit und sie erreichten ihre Ausgangskörperfett– und Muskulaturwerte. Außerdem verteilte sich das Fett gleichmäßig und wohlproportioniert.
  • Nach der Gewichtszunahme fühlten sich die Teilnehmer oft träge und unförmig. Teilweise wird von Körperschema-Störung berichtet, die ich in Zusammenhang mit der Gewöhnung an das starke Untergewicht in Verbindung bringen würde.
  • Aus dem Experiment wurde die positive Schlussfolgerung gezogen, dass sich der Körper wieder regenerieren kann! Es gibt nicht unbedingt negative Langzeitauswirkungen. Das bezieht sich aber natürlich nur auf diese Studie! Eine jahrelange Unterernährung hat teilweise irreparable Langzeitfolgen!
  • Eine Langzeitfolge war aber auch in diesem Experiment die Angst vor erneutem Hungern!

Boah, nach dieser doch umfangreichen Recherchearbeit für die Infos komme ich jetzt endlich zu den für Dich wahrscheinlich relevantesten Themen.

Für wen ist Minnie Maud geeignet?

Minnie Maud ist laut den Richtlinien für jeden geeignet, der Symptome von Unternährung aufweist. Vor allem im starken Untergewicht, aber auch im Normalgewicht soll es helfen. Kurz gesagt, JEDER ist “qualifiziert” diese “Methode” anzuwenden. 

Wobei Methode ein echt frecher Name für ein Programm ist, welches dir einfach nur Sport verbietet und eine Mindestkalorienmenge vorgibt.

Wann ist Minnie Maud geeignet für mich?
  • Wenn Du an Symptomen von Untergewicht leidest
    • körperliche sind hier genauso gemeint wie
    • psychische Symptome (z.B Angst vor Lebensmitteln, etc)
  • Wenn Du zunehmen willst (keine Voraussetzung!)
  • Wenn Du weit genug im Kopf bist und es wirklich willst
  • Wenn Dir diese Regeln Sicherheit geben
  • Wenn Du gleichzeitig deine Essstörung von der psychischen Seite bearbeitest, z.B. durch einen Therapeuten
  • Wenn Du zu Hause zielgerichtet zunehmen willst
  • Wenn Du sehr willensstark bist

Meine Meinung zu Minniemaud

Ich denke, dass diese “Methode” gerade zu Beginn der Recovery enorme Vorteile mit sich bringen kann. Sie hilft einem, ein Kalorienziel zu erreichen und sicherzustellen, ausreichend mit Energie versorgt zu sein.
Außerdem gibt es eine geregelte Zunahme, die sich definitiv in medizinisch sinnvollen Bereichen bewegt. (Mir persönlich wurden ca. 500-1000g pro Woche empfohlen, die Menge die man mit Minnie Maud vor allem zu Beginn zunimmt kann aber deutlich abweichen.)

Auch hilft es die Angst vor der Zunahme zu überwinden. Denn wenn man jeden Tag konstant und ein bisschen zunimmt, gewöhnt man sich auch daran. Und es hilft gegen Bewegungsdrang und die Angst vor dem Essen an sich loszuwerden.
Natürlich bringt Minnie Maud nichts, wenn man jede aufgenommene Kalorie durch exzessiven Sport verbrennt! Wer nicht auf Sport verzichten kann, der muss unbedingt mehr essen!

Ein weiter großer Vorteil ist, dass diese Mengen fast nur mit verarbeiteten und hochkalorischen Lebensmitteln zu bewältigen ist. Das kann einem helfen, die Angst vor bestimmten Lebensmitteln zu verlieren. Natürlich muss man sich dazu aber auch an diese trauen! Minnie Maud gibt einem vielleicht die nötige Legitimation (Erlaubnis) von außen dazu.
An dieser Stelle sehe ich allerdings auch ein Problem: Es bringt nichts, sich nur von Junkfood zu ernähren! Ziel sollte sein, langfristig eine ausgewogene Ernährung zu erlernen. Hier mehr zu der “richtigen Ernährung”!

 

Meine persönliche Erfahrung mit Minnie Maud

Ich habe Minnie Maud von einem auf den anderen Tag begonnen und die Entscheidung dazu an einem Nachmittag getroffen.
Es war kein  Monatsanfang, kein Montag, kein schönes Datum, nicht mal ein neuer Tag!

Minnie Maud kannst auch Du jederzeit beginnen! (Wenn medizinisch nichts dagegen spricht!).

An meinem ersten Tag hab ich meine Kalorien schrecklich verteilt, das Meiste habe ich am Abend gegessen und durch Junkfood. Mein “Nightsnack” bestand aus einem Pint Ben & Jerry’s und zusätzlich noch ordentlich viel Schokolade, Nüsse, etc.
Ich hatte mir in den Kopf gesetzt meine Kalorien unter allen Umständen zu erreichen und sogar evtl. zu Übertreffen. Ich aß an diesem Tag ca. 3600 Kalorien. Davon war fast alles Süßkram.

Auch in den folgenden Tagen, sogar Wochen klappte die Verteilung der Kalorien nicht, so dass der Großteil der Kalorien am Abend offen war und durch Hochkalorisches gedeckt wurden. ABER(!) ich bin davon nicht über Nacht explodiert. Ich habe auch nicht nur Fett zugenommen.

Gleichzeitig muss ich aber sagen, dass mein Bewegungsdrang enorm in die Höhe ging und ich mich eigentlich die ganze Zeit selbst betrogen habe. Erst viel zu spät habe ich das überhaupt bemerkt und mir eingestehen können.

Für mich entstanden durch Minnie Maud schreckliche Bewegungszwänge, denen ich ausgeliefert war. (Siehe  Jahresrückblick).
Außerdem fing ich an, mich komplett  über Minnie Maud, über die Zahl 3000 zu definieren und es wurde ein Zwang die Kalorien unter allen Umständen zu erreichen. Wieder definierte ich mich über mein Essen und Zahlen. Mein Selbstwert hing nur noch an dieser Methode.

Ich weiß, dass ich es absolut übertrieben habe, so wie ich fast alles übertreibe. Ich kenne fast niemanden, dem das so ging wie mir, trotzdem möchte ich meine Erfahrung ehrlich teilen.

ABER(!) durch Minnie Maud habe ich ebenso meine Angst vor #pintpartys, Eis, Hochkalorischem und Süßigkeiten verloren.

Ich persönlich habe jetzt einen zwangsfreien Weg gefunden, zu “recovern”, dabei meine anderen Ängste abzubauen und in einem guten Maß zuzunehmen. Wenn Dich dieser Weg interessiert, dann kann ich gerne einen Artikel dazu schreiben.

Wenn Du Fragen zu Minnie Maud hast, bitte schreibe sie in die Kommentare. Was hältst du von dieser Genesungs-methode?

 

Cool, dass Du bis hierhin gelesen hast! Wenn Du Feedback zu diesem Artikel hast, würde ich mich sehr über einen Kommentar oder eine direkte Mail an mich freuen!
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Falls Du mich noch mehr unterstützen willst, erfährst Du hier wie. ♥️

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3 thoughts on “(Deutsch) Minnie Maud Methode – der Weg aus der Magersucht?

  1. VIELEN LIEBEN DANK für diesen guten Beitrag! Ich überlege auch, ob ich die Minnie Maud Methode mal ausprobiere, weil ich durch meine ES viel zu dünn bin, aber eigentlich nicht in eine Klinik und es stattdessen allein schaffen möchte. Tatsächlich mache ich mir wegen der beschriebenen hohen und schnellen Zunahme ziemliche Sorgen, aber ich versuche, darauf zu vertrauen, dass sich das wirklich irgendwann von allein wieder einpendelt. Du bist auch nicht die Einzige, bei der ich über solche Erfahrungen bereits gelesen habe. Nur, bei sich selber macht man sich ja immer Sorgen… Wie dem auch sei, jedenfalls danke für diesen verständlichen Beitrag zu dem Thema und mich würde sehr interessieren, was nach MM dein zwangsfreier Recoveryweg war. 🙂

  2. Liebe Fee
    Ich würde gerne Wissen, weil es hier so unterschiedliche Meinungen gibt, ob es besser wäre in einer Recovery nach einer Magersucht Sport (gerade Krafttraining aber auch mal Joggen) zu betreiben oder man komplett Sport und viel Bewegung vermeiden sollte bzw. um genau zu sein, überhaupt nicht machen darf? (Was du ja auch getan hast – aber trifft es für jeden zu?) Mal davon ausgehend die benötigten Kalorien zu essen.

    Natürlich geht es auch um den Psychischen Aspekt und dass man Sport auch nur ungezwungen machen sollte – ohne Stress, Kaloriendenken und auch die Intensität rausnehmen muss (kein HIT). Da der Körper natürlich noch in einen Extremzustand ist und man ihn nicht noch mehr stressen sollte. Ich weiß auch nicht ob es einen Unterschied macht ob jemand schon weit über 10 Jahre Sport gemacht hat oder kompletter Anfänger ist (trotz Eßstörrung).
    Natürlich sehe ich Erfolgsgeschichten mit Sport und auch welche ohne. Leider gibt es hier keinen Mittelbereich.
    Da der Körper schon genug gelitten hat will man nichts falsches machen und ihn nicht noch mehr schädigen oder die Hormone weiter stören aber Monate ohne Sport kann ich mir auch nicht vorstellen und ich würde schon gerne es mit Sport versuchen aber halt Gesund ohne Ängste, Stress aber auch nur wenn ich weiß dass ich mir nicht mehr schade.

    Hast du Hilfe und Tipps?

    Danke für deine Zeit
    LG
    Mareike

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